Humanistisches Erbe und künstlerische Kreativität

25. Jan 2025

Humanistisches Erbe und künstlerische Kreativität

Ein Besuch an den Quellen der Pädagogik

Die Oberstufe des Beruflichen Gymnasiums Erzieher/-in begab sich auf eine Klassenfahrt nach Halle an der Saale, wo die Lernenden auf den Spuren des Theologen und Pädagogen Hermann August Francke wanderten. 1692 kam er als Pfarrer in den sozialen Brennpunkt Glaucha bei Halle: 200 Häuser und 37 Kneipen. Bildung war für ihn der Schlüssel einer guten Zukunft und er meinte damit nicht irgendeine Bildung, sondern die beste, die damals möglich war. So entstand dort wie von selbst 1696 ein Lehrerseminar, das erste in Deutschland. Schule war für ihn Vorbereitung auf den Beruf, darum gab es einen Unterricht an den Realien, den wirklichen und praktischen Dingen. Die erste Realschule entstand so. Als er starb, hatte seine Einrichtung 2200 Schülerinnen und Schüler. Von Anfang an hat er auch ganz selbstverständlich Mädchen aufgenommen, 1698 gab es auf dem Gelände das erste Mädchengymnasium. Es wird noch fast 200 Jahre dauern, bis die Frauenrechtlerin Helene Lange sich durchsetzt und die ersten Schülerinnen in Berlin die Reifeprüfung ablegen konnten. Das war 1896.

Von Halle ging es zur Lutherstadt Wittenberg. Dort schlug nicht nur Martin Luther 1517 die 95 Thesen an die Schlosskirche, sondern hier dachte sein Freund Philipp Melanchthon darüber nach, wie das Schulwesen zu reformieren sei, damit möglichst viele Menschen Lesen und Schreiben können. Die Geschichte hat ihm dafür den Ehrentitel „praeceptor germaniae“ verliehen – Lehrer Deutschlands. So viel Bildung macht hungrig auf mehr und durstig. Die Reformationsstraße entpuppte sich als Shoppingzeile mit vielen Restaurants und einer gut bestückten Cocktail-Bar.

Dass das humanistische Bildungsideal heute noch lebendig ist, zeigte ein Besuch der Hundertwasser-Schule. Wittenbergs Gymnasien haben sich zusammengeschlossen und bewusst den alten Namen der einstigen Universität übernommen, „Leucorea“, was einfach „weißer Berg“ heißt, die lateinische Bezeichnung für Wittenberg. Als das Luther-Melanchton-Gymnasium (ein Plattenbau aus der DDR-Zeit) vor dem Abriss stand, setzten sich Schülerinnen und Schüler für ihre Schule ein, zeichneten, malten, entwarfen. Und weil das Ganze mit seinen bunten Farben und Türmchen nach Hundertwasser aussah, schickten die Schulsprecher dem berühmten Künstler ihre Bilder. Er zeigte sich beeindruckt, stimmte zu und gestaltete die Schule um, die über die Grenzen Wittenbergs als Hundertwasser-Schule bekannt wurde. Humanistisches Erbe und künstlerische Kreativität verbinden sich zu einem spannenden und lebendigen Prozess. Die Schülerinnen und Schüler sind stolz auf ihre Schule, auch wenn das Gebäude im Kern seine Herkunft aus dem Plattenbau nicht verleugnen kann, aber es geht ja auch darum, was daraus gemacht wird und mit welchem Leben sie gefüllt wird – und nicht zufällig ist es auch eine Schülerin gewesen, die allen Beteiligten der Klassenfahrt sehr selbstbewusst ihre Schule gezeigt hat. Was Initiative und Engagement alles möglich machen!

Die BGEZ3 in Halle an der Saale: Gruppenbild mit ihrer Lehrerin Andrea Möllers vor der Statue des Theologen und Pädagogen Hermann August Francke.

Witten 1
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